Handlungsfeld Beratung und Begleitung

© Foto: Stefanie Giesder

Fachliche Beratung, Prozessbegleitung und offen sichtbare Anlaufstellen – Das waren Wünsche vieler Akteur*innen aus der Praxis Kultureller Bildung, die die Zusammenarbeit mit Verwaltungen und politischen Entscheider*innen sowie den Zugang zu wichtigen Fördermitteln erleichtern könnten.

Von den Befragten wurden vielschichtige Herausforderungen, bei denen ein gezieltes Angebot an Beratung und Begleitung helfen kann, diese zu bewältigen und die Potenziale der Kulturellen Bildung nachhaltig zu entfalten. Weitere Handlungsfelder und tiefere Informationen finden Sie auf hier oder in unserer Publikation.

Kurzübersicht zum Themenfeld Beratung und Begleitung

Die Befragten nannten im Feld der Begleitung und Beratung folgende Herausforderungen, Bedarfe und Wünsche:

  • Die Akquise ausreichender Gelder für Projekte in ländlichen Regionen, die oft durch eine unübersichtliche Förderlandschaft und komplexe Ausschreibungen erschwert wird, wird als Herausforderung benannt.
  • Die Befragten wünschen sich orientierende Unterstützung im „Förderdschungel“, bei der finanziellen Abwicklung und Prozessbegleitung.
  • Das Zusammenspiel mit der Verwaltung muss gestärkt werden, da eine schnelle Kommunikation und gegenseitiges Verständnis für die Bedürfnisse der Akteur*innen in Praxis und Verwaltung fehlen; feste Ansprechpersonen und ein Zusammenarbeitskodex könnten helfen.
  • Der Wert der Kulturellen Bildung ist oft nicht ausreichend bekannt, weshalb Fortbildung und Austausch benötigt werden.
  • Es wird sich Unterstützung bei Projektkonzeption und Fördermittelakquise gewünscht, insbesondere durch den Ausbau von Beratungsstellen, um lokales Wissen zu sammeln und gezielte Hilfe bei Anträgen anzubieten.
  • Coaching und Prozessbegleitung sind für Macher*innen in ländlichen Räumen wichtig, um Orientierung, Netzwerkpositionierung sowie (Selbst-)Reflexion und Wissenstransfer anzustoßen.
  • Im Ehrenamt ist ein harmonisches Miteinander entscheidend, da viele Akteur*innen auf ehrenamtliche Hilfe angewiesen sind; Beratung ist nötig, um verantwortungsvoll mit Ehrenamtlichen umzugehen und Konkurrenz zwischen Hauptamt und Ehrenamt zu vermeiden.

Weiterführende Informationen

Weitere Informationen zu den einzelnen Punkten entnehmen Sie bitte dem folgenden Menü. Über das Plus/Minus-Symbol auf der rechten Seite können Sie die jeweiligen Beiträge auf- bzw. zuklappen. Eine volle Übersicht erhalten Sie in unserer Publikation.

Eine der grundlegenden Herausforderungen sehen viel Akteur*innen aus der Praxis der kulturellen Bildungsarbeit in der Akquise ausreichender finanzieller Mittel. Diese sind entscheidend für die Durchführung von Projekten in ländlichen Regionen. Aber geeignete Förderungen zu akquirieren erscheint schwierig. Viele Praktiker*innen empfinden die Förderlandschaft als unübersichtlich, und die komplexen Ausschreibungen erschweren eine prozessorientierte Arbeit sowie die Umsetzung innovativer Konzepte. Dementsprechend zeitintensiv ist die Erstellung von Anträgen. Diese Zeit wird in der Regel nicht bezahlt.

Um in diesem „Förderdschungel“ zurechtzukommen, besteht ein großer Bedarf an orientierender Unterstützung. Kulturvermittler*innen wünschen sich nicht nur Hilfe bei der finanziellen Abwicklung ihrer Projekte, sondern auch Prozessbegleitung und Coaching im Umgang mit Ehrenamtlichen. Dies ist bisher eine Herausforderung: Vielerorts wissen die Engagierten nicht, an wen sie sich mit ihren Fragen und Anliegen wenden können. Es gibt unterschiedliche Ideen zur Lösung dieses Problems, wie beispielsweise Handreichungen mit Tipps und Tricks oder Fortbildungsveranstaltungen. Diese müssen nicht zwangsweise neu geschaffen werden, vielmehr genüge zunächst eine bessere Übersicht über die Vielzahl existierender Angebote.

Die Befragten schätzen schnelle und unkomplizierte Kommunikation mit der Verwaltung, kritisieren jedoch, dass politische Entscheidungsträger und Verwaltungsmitarbeiter oft wenig Verständnis für die Bedürfnisse der Akteur*innen in der Kulturellen Bildung haben. Gleichzeitig erkennen einige Kulturvermittler selbst, dass auch sie in Verwaltungsfragen uninformiert und ungeduldig sind. Es fehlt an Klarheit und Flexibilität, was für innovative Projektarbeit notwendig wäre. Viele Praktiker empfinden die Unklarheit über Zuständigkeiten in kommunalen Gremien als herausfordernd und wünschen sich feste Ansprechpersonen sowie bessere interdisziplinäre Zusammenarbeit. Einige schlagen die Erstellung eines Kodex für die Kooperation zwischen Kommunen und Künstlern vor, um die Arbeitsweisen der verschiedenen Akteure besser zu verstehen und den Nutzen eines verbesserten Miteinanders zu erkennen.

Praktiker*innen stufen das Wissen und das Bewusstsein über Ziele und Zwecke Kultureller Bildung zum Teil als ungenügend ein. Sowohl die Durchführenden selbst als auch Kooperationspartner*innen wie Lehr- und pädagogische Fachkräfte benötigen dafür fachliche Grundlagen und würden von (Tandem-)Fortbildungen profitieren. Gute Argumente, idealerweise gestützt durch eigene Erfahrungen, tragen dazu bei, Menschen vom Mehrwert kultureller Praxis zu überzeugen.

Die Befragten wünschen sich mehr Unterstützung bei der Projektkonzeption und Fördermittelakquise und schlagen vor, Beratungs- und Koordinierungsstellen auf- bzw. auszubauen. Die mit lokalen bzw. regionalen Besonderheiten vertrauten Koordinator*innen können auf bereichernde Praxisbeispiele hinweisen, verschiedene Fördermöglichkeiten aufzeigen und bei der konkreten Entwicklung von Projekten beraten. Nach Vorstellung der Laborteilnehmenden sollte es zudem an mehreren Terminen im Jahr die Gelegenheit geben, allgemeine und/oder individuelle Hilfe bezüglich Förderrichtlinien und Antragserstellung in Anspruch zu nehmen.

Viele Macher*innen im ländlichen Raum fühlen sich als Einzelkämpfer*innen und wünschen sich individuelles Coaching und Prozessbegleitung. Diese Unterstützung kann von zentralen Anlauf- und Koordinierungsstellen, freien Dienstleistenden (wie z.B. Kulturagenturen) oder anderen Kulturvermittelnden kommen. Die Befragten erhoffen sich von externen Begleitpersonen vor allem Orientierung und Positionierung im Netzwerk sowie eine Resonanzfläche für (Selbst-)Reflexion und Wissenstransfer.

Nach wie vor spielt das Ehrenamt eine große Rolle in der kulturellen Bildungslandschaft in ländlichen Räumen. Die meisten Akteur*innen sind auf ehrenamtliche Mithilfe angewiesen, um größere Projekte umzusetzen. Gleichzeitig kann das Nebeneinander von professionellen und ehrenamtlichen Initiativen zu Konkurrenz führen. Damit bürgerschaftliches Engagement bestenfalls die Tätigkeit von Kulturvermittelnden bzw. Kulturvereinen stützt, statt ihren Stand zu untergraben, benötigen die Befragten Beratung über den verantwortungsvollen und wertschätzenden Umgang mit Ehrenamt: „Wie gehe ich […] mit Ehrenamtlichen um, wie kann ich Ehrenamtliche besser finden, besser fördern, wie kann ich mit Ehrenamtspauschalen umgehen?“

Handlungsempfehlungen zum Handlungsfeld Beratung und Begleitung

Ausgehend von den Herausforderungen, mit denen sich Akteur*innen der Kulturellen Bildung in ländlichen Räumen konfrontiert sehen, und unter Berücksichtigung der Ideen, die in den Laboren im Projekt „Land schafft Kultur“ entwickelt wurden, ergeben sich nachfolgende Handlungsempfehlungen zum Themenfeld Beratung und Begleitung:

  • Ansprechpersonen für Kulturelle Bildung in allen Regionen schaffen und sichtbar machen
  • Begleitung und Beratung für Engagierte sicherstellen
  • Handlungs- und Anwendungswissen vermitteln
    • Gute Argumente für Kulturelle Bildung aufzeigen und verbreiten
    • Überblick und individuelle Beratung bezüglich Fördermöglichkeiten sowie Unterstützung in der Antragstellung und Abrechnung von Zuwendungen
    • Schulungen im Umgang mit Ehrenamt sowie Unterstützung beim Aufbau von Kooperationen
    • Austausch und kollegiale Beratung über nützliche (digitale) Tools und Tricks

Weitere Handlungsempfehlungen zu anderen Handlungsfeldern finden Sie auf diesen Webseiten oder in unserer Publikation. Weitere Erläuterungen zu den Handlungsempfehlungen können Sie über das Plus/Minus-Zeichen ein- bzw. ausblenden.

In jedem Landkreis sowie auf Bezirks- und Landesebene sollten Ansprechpersonen für Kulturelle Bildung benannt und öffentlich bekannt gemacht werden. Eine gute Zusammenarbeit zwischen den Ressorts gewährleistet eine zügige Bearbeitung von Anliegen im Querschnittsbereich Kulturelle Bildung. Es wäre sinnvoll, Leitlinien oder themenspezifische Leitfäden zur Zusammenarbeit zwischen Praxis und Verwaltung zu formulieren. Diese sollten transparente Informationen über Abläufe und häufige Anfragen bereitstellen. Denkbar wären übersichtliche, leicht verständliche FAQs der Zusammenarbeit als erster Schritt.

Um die kulturelle Bildungslandschaft weiterzuentwickeln und zu professionalisieren, ist es wichtig, der Vereinzelung und fehlenden Anbindung an das Feld entgegenzuwirken. Fachberatung in Bereichen wie Kooperation und Prozessbegleitung durch kommunale Verwaltungen oder zivilgesellschaftliche Träger können hier hilfreich sein. Informationen über relevante Beratungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten sollten zentral gesammelt und übersichtlich dargestellt werden. Digitale und hybride Fortbildungsangebote erleichtern zudem die Teilnahme für Akteur*innen in abgelegenen Gebieten.

Kulturvermittelnde müssen und möchten über ihre pädagogische Qualifikation hinaus weitere Kompetenzen erwerben, die sie in ihrer beruflichen Handlungsfähigkeit indirekt voranbringen, wie z.B. Argumentationsvermögen, Managementkenntnisse und Kooperationsgeschick. Denkbar wären dabei folgende Themenbereiche.

  • Argumente für Kulturelle Bildung – Eine Aufbereitung guter Argumente für Kulturelle Bildung hilft Praktiker*innen, sich selbstsicher gegenüber Förder-, Auftrag- und Arbeitgebenden zu präsentieren und zu positionieren
  • Finanzierung und Förderung – Überblick und individuelle Beratung bezüglich Fördermöglichkeiten sowie Unterstützung in der Antragstellung und Abrechnung von Zuwendungen (z.B. Antragscoaching) gibt den Akteur*innen Orientierung und Sicherheit im komplexen Förderwesen.
  • Team und Netzwerk – Schulungen im Umgang mit Ehrenamt sowie Unterstützung beim Aufbau von Kooperationen ermöglichen entlastende und gewinnbringende Arbeit in Teams und Netzwerken und entschärft Einzelkämpfer*innentum.
  • Tools und Tricks – Austausch und kollegiale Beratung über nützliche (digitale) Tools und Tricks, z.B. im Umgang mit Politik und Verwaltung, vereinfachen den Berufsalltag.

Einblicke in die Praxis

Im Folgenden präsentieren wir einige Einblicke in die Praxis. Über das Plus/Minus-Zeichen können die Beiträge ein- oder ausgeblendet werden. Sie finden diese Beiträge ebenfalls in unserer Publikation.

Eine Kulturagentur für Rhön Grabfeld

Mit der Kulturagentur und dem kreiseigenen Kloster Wechterswinkel ist dem Landkreis Rhön-Grabfeld in Unterfranken ein außergewöhnliches Konstrukt gelungen. Als Koordinationsstelle, die mittlerweile am Landratsamt angesiedelt ist, leistet die Kulturagentur einen großen Beitrag zur Stärkung kultureller Angebote in ländlichen Räumen. Die LKB:BY im Gespräch mit Dr. phil. Astrid Hedrich-Scherpf, Leiterin der Kulturagentur Rhön-Grabfeld.

Dr. phil. Astrid Hedrich-Scherpf ist Kulturmanagerin. Sie studierte Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Romanistik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Ab 2006 half sie beim Aufbau der Kulturagentur Rhön-Grabfeld und ist deren Leiterin. Zudem ist sie zuständig für die kreiseigenen Einrichtungen im Kloster Wechterswinkel und die Kreisgalerie.

Frau Hedrich-Scherpf, was darf man sich unter „Kulturagentur” vorstellen?

Wir sind ein flächendeckendes Kulturmanagement für einen gesamten Landkreis im ländlichen Raum. Viele Kommunen und Städte sind sehr aktiv im kulturellen Bereich, aber ohne Netzwerk oder Zusammenarbeit. Wir haben als fehlendes Puzzleteil im Landkreis diese Strukturarbeit gestaltet, als Verknüpfung aller Aktivitäten des Landkreises.

Worin bestand Ihre Hauptarbeit?

In der Vernetzung und Beratung: Welche Künstler sind für welche Aktionen geeignet? Welche Räumlichkeiten dienen welchem Vorhaben? Wissenschaftler oder Schulen haben gefragt, wo sie Info zu gewissen Themen bekommen.

Haben Sie selbst als Kulturagentur einen eigenen Produktionsetat?

Ja, wir wurden diesbezüglich gut ausgestattet. Wir achten aber darauf, mit unseren Veranstaltungen keine Parallelstrukturen im Landkreis zu schaffen. Eine Vorgabe war, dass wir seitens der Kulturagentur keine Fördergelder vergeben können, sondern dass diese innerhalb der bereits vorhandenen Strukturen ausgeschöpft werden.

© Foto: Rudolf Weinert

Was waren die ersten Aktivitäten der Kulturagentur?

Als erstes haben wir einen landkreisweiten Kulturkalender herausgegeben. Dieser funktioniert über ein Datenmeldeblatt der Veranstaltungen im Landkreis. Wir stellen kostenfrei 600 bis 700 gesammelte Datensätze pro Quartal zur Verfügung, digital und als vom Landkreis gedruckten Kulturkalender, den wir verteilen. Innerhalb kürzester Zeit hat sich die Qualität des Informationsflusses, digital und im Print-Produkt, deutlich verbessert und strukturiert.

Wie wurde entschieden, welche Projekte ihr in Angriff nehmt?

In der Projektphase der Bottom-up-Projekte haben wir geschaut, was in der Region vorhanden und welcher Bedarf nötig ist. Wo können wir die Leute abholen? Das haben wir immer wieder auch den Bürgermeistern, den Gemeinderäten und den Landräten kommuniziert. Das hat letztendlich überzeugt, dass sich da wirklich was getan hat.

Heute ist die Agentur ein Sachgebiet in der Abteilung Kreisentwicklung des Landkreises. Wie kam es dazu?

Es war von Anfang an der politische Wille da: „Ja, wir geben für Kultur Geld aus, weil Kultur eine Wertschöpfungskette entwickelt und die Region damit stärkt.“

Was empfehlen Sie anderen Landkreisen, um diesen politischen Willen zu stärken?

Ich habe in den ersten Jahren unserer Arbeit sehr viele Beratungen und Vorträge in Nachbarlandkreisen und darüber hinaus gemacht, weil man das Projekt „Kulturagentur” so spannend fand. Wir haben Modellcharakter, gerade in Bayern. Aber oft ziehen Politiker nicht mit, weil sie Geld in die Hand nehmen müssen. Also muss so ein Konzept wirklich sehr gut vorbereitet sein. Die Kulturschaffenden müssen sagen: „Wir brauchen so was”, und auf der politischen Seite muss jemand sagen: „Ja, so was brauchen wir wirklich,
das müssen wir vorantreiben.”

Wie würden Sie den Status derKulturellen Bildung in Rhön-Grabfeld beschreiben?

Vereine haben ja schon immer ihren Nachwuchs heranziehen müssen, aber bei uns lag der Fokus der Kulturellen Bildung und der Angebote lange vor allem auf dem klassischen Klientel, insbesondere im Konzert- und Museumsbereich. Da vollzieht sich seit ein paar Jahren eine Wandlung. Nun wird verstärkt der Fokus der Kulturellen Bildung auf Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene gelegt, die man schwerer erreicht oder die sich nur bedingt für Kultur interessieren. Aber das ist unser Nachwuchs. Museen und kulturelle
Einrichtungen, Opern- oder Konzerthäuser stehen vor einem gewaltigen Umbruch. Es ist heute unmöglich, etwas ohne Kulturelle Bildung zu machen. Den klassischen Museumsbesucher gibt es nicht mehr. Gerade bei jungen Erwachsenen muss man etwas Besonderes anbieten, um sie für Kultur oder eine bestimmte Einrichtung zu gewinnen. Vor fünf Jahren haben wir beispielsweise durch die Volontärinnen bei uns in der Kulturagentur ein niederschwelliges Angebot gestartet, „Kunst und Wein”, für die Altersgruppe 18 bis Mitte 30.

Das Aufbrechen von Strukturen ist also wichtig, um Kultur zu erleben, daran teilzuhaben…?

…und mit etwas Positivem zu verbinden: „Kommt mal, guckt mal, macht
mal mit.” Wichtig ist auch, dass es von Gleichaltrigen angeboten wird.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die Kulturelle Bildung in den nächsten Jahren?

Vielen, die tolle Ideen haben und was machen wollen, geht im Ehrenamt irgendwann mal die Luft aus, oder sie fühlen sich nicht wertgeschätzt. Diese Menschen muss man immer wieder einbinden und den Kontakt halten. Man muss nach den Leuten schauen.
Wir sind immer Ansprechpartner und versuchen, die Umsetzung zu ermöglichen, in welcher Form auch immer: durch Hilfeleistung oder aktive Suche nach Mitteln. Wir gehen auch auf Politiker zu, auf Bürgermeister oder Gemeinderäte: „Hier gibt es ein ganz tolles Projekt. Könnt ihr da nicht stärker unterstützen? Wo liegt das Problem seitens der Gemeinde?” Manchmal kommen die Bürgermeister von Ortschaften auch auf mich zu und sagen, „Wir würden ja gerne, und hätten auch Mittel, aber wir wissen nicht, wie.”

Wie erreichen Sie Kinder und Jugendliche aus nicht kulturaffinen oder öffentlich schlecht angebundenen Regionen?

Wir haben niedrige Teilnehmerkosten, meist nur Materialgeld. Über Schulen,
Kindergärten etc. versuchen wir, auch sozial Benachteiligte oder nicht kulturaffine Kreise zu erreichen. Mobilität ist ein ganz großes Thema, über das wir auch im Labor für Kulturelle Bildung Unterfranken gesprochen hatten. Ich war erstaunt darüber, was es in anderen Bundesländern gibt und was in Bayern fehlt. Kulturschaffende suchen immer nach einer Lösung, wie die Schulen erreicht werden können oder wie Ansprechpartner gefunden werden können. Es reicht nicht, die Schulen zu beliefern, sondern wir brauchen Ansprechpartner. Und dann die Fragen: Passen unsere Programme zum Lehrplan? Können die Lehrkräfte sie auch wahrnehmen?

Wie kann eine Landesvereinigung für Kulturelle Bildung Ihre Arbeit unterstützen?

Handlungsempfehlungen sind für die Aktiven interessant und haben eine politische Dimension. Wenn sich Regionen entwickeln wollen, wenn demographische Verluste nicht weiter steigen sollen in den nächsten Jahrzehnten, gerade im ländlichen Raum, dann müssen Strukturen gestärkt werden. Wir brauchen Lobbyarbeit für Kulturelle Bildung wie zum Beispiel
Kulturagent*innen, die es in Bayern in dieser Form nicht gibt.

Wenn Sie beim Landkreis oder beim Bezirk um Fördermittel anfragen, ist das Thema „Kulturelle Bildung” bekannt oder erklärungsbedürftig?

Dafür gibt es ja noch keine speziellen Fördertöpfe. Wir stecken das in
unsere Projekte als Unterpunkt mit rein, den wir gefördert haben wollen. Nachdem der Bezirk jetzt auch Bildungsprogramme anbietet, kann ich mir vorstellen, dass sich das in den nächsten Jahren noch stärker herausbildet. Ich zitiere gerne eine österreichische Studie von 2018, die untersucht hat, wie viel Geld in kulturelle Einrichtungen läuft und was hinterher dabei rauskommt. Und der Mehrwert liegt bei 1,7. Also jeden Euro, den man reinsteckt, der kommt hinten 1,7-fach raus. Landkreis und Kommune tragen bei uns zu gleichen Teilen die Kosten für eine Einrichtung oder ein Projekt mit dem Ziel, Identifikation und Beteiligung zu fördern. Das ist eine gute Methode! Da sieht man gleich, wie hoch die Wertschätzung und das Interesse auf kommunaler Seite sind. Kulturarbeit ist in einer großen Vielfalt möglich und bringt so viel Gewinn!

Was hat sich für Sie aus dem Labor für Kulturelle Bildung in Unterfranken ergeben?

Das war ein wichtiges Netzwerken. Wir haben gute Kontakte geknüpft, ich hatte sehr interessante Gespräche, die vorgestellten Projekte waren spannend. Es fasziniert, Kulturschaffende kennenzulernen, die einen anderen Ansatz haben, aber ganz tolle Projekte machen. Da habe ich viel mitgenommen. Natürlich auch die andere Seite: Man sieht, es sind viele im Ehrenamt – viele, die sich auspowern. Wir selber laufen auch immer am Limit.

Haben Sie in Ihrem Landkreis „weiße Flecken“ in Bezug auf Kultur bzw. Kulturelle Bildung?

Hatten wir. Deswegen gibt es jetzt das Kloster Wechterswinkel: Wir hatten bei uns nichts im Bereich klassische Musik, Kammermusik, zeitgenössische Kunstausstellungen oder Lesungen. Da wir keine Konkurrenz zu bestehenden Einrichtungen aufbauen wollten, haben wir diese Lücke gefüllt. Es wird gut angenommen. Vor Corona 24.000 Besucher, inzwischen wieder 20.000.

Was sehen Sie als die größte kommende Herausforderung für Ihre Kulturagentur?

Transformation. Das ist der komplette Umbruch der ganzen Kulturszene. Da kommt eine andere Generation, und damit andere Bedarfe oder eine andere Sicht auf Kunst und Kultur. Dann natürlich die Sparzwänge, die jetzt immer deutlicher werden und die wir schon spüren, die sich aber sicher durch die wirtschaftliche Lage der nächsten Jahre noch verschärfen werden. Dazu kommen Inklusion und Ökobilanz – so viele notwendige Themen. aber wir müssen erst den Bestand in die Zukunft transformieren. Es wird ja immer deutlicher, dass Kultur in jeder Form der Kitt ist, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Das entdecken immer mehr Politiker. Daher hoffe ich, dass wir entsprechende Unterstützung oder Aufwind kriegen. Aber es wird ein schwieriger Prozess.

Vielen Dank für das Gespräch!

Der Landkreis Regen unterhält kein eigenes Kulturreferat, sondern hat mit Roland Pongratz und seinem Büro für Kulturwissenschaft und – management „Kultur&Konzept“ einen Dienstleistungsvertrag geschlossen. Ein Interview mit ihm können Sie hier nachhören (LINK).

Roland Pongratz ist Kultur-Kümmerer in Regen. Er ist bestens vernetzt und ein erfolgreicher Veranstalter: 1998 hat er das biennal stattfindende Volksmusik-Festival „drumherum“ ins Leben gerufen, das mittlerweile mit 400 Gruppen und 50.000 Besucher*innen jährlich zu den größten Veranstaltungen im Bayerischen Wald gehört. Roland Pongratz leitet außerdem das Niederbayerische Landwirtschaftsmuseum Regen und ist künstlerischer Leiter der Volksmusikakademie Bayern in Freyung, die unter anderem niedrigschwellige Musikveranstaltungen für alle Generationen erlebbar macht.

„Es gibt das System der Heimatunternehmer […]. Wenn es das Gleiche für Kunst und Kultur gäbe, wäre allen sehr viel geholfen.“

Mit Roland Pongratz steht den Kulturschaffenden und der Verwaltung im Landkreis Regen ein studierter Volkskundler und Musikpädagoge als Ansprechpartner zur Verfügung, der koordiniert, berät und die Kulturszene und damit auch die Kulturelle Bildung im Landkreis vertritt. Er beschäftigt sich zudem mit Medien- und Netzwerkarbeit, leistet GEMA-Beratung, ist zuständig für die Akquise von Fördermitteln und bereitet den Landkreis-Kulturpreis vor.

© Foto: C.A. HELLHAKE

Aus seiner jahrelangen Erfahrung heraus macht er sich für die Einrichtung von Koordinierungsstellen bzw. Kulturbeauftragte stark: „Ich plädiere für diese Unterstützung! […] Es gibt das System der Heimatunternehmer: Wenn ich jetzt ein kleines Geschäft anfange und mich mit Regionalem beschäftige, dann kann ich mich an den wenden und dann begleitet mich der ein Stück. Das funktioniert dort perfekt. Wenn es das Gleiche für Kunst und Kultur gäbe, wäre allen sehr viel geholfen. Ich erlebe das im täglichen Miteinander, dass viele sehr gute Ideen daran scheitern, weil irgendwann einer der Berge dabei ist, der einfach von der Person, die das angeht, nicht mehr erklommen werden will […]. Also wenn ich da jemanden hätte, der mich an der Stelle punktuell unterstützt und mir Wege aufzeigt! […] Da wäre also ganz vielen, ganz stark geholfen. Solche Begleiter, das wäre tipptopp im ländlichen Raum.“

Das vollständige Interview mit Roland Pongratz können Sie hier anhören.

Weitere Inhalte aus dem „Land schafft Kultur“-Projekt

Das Handlungsfeld Beratung und Begleitung ist ein Ergebnis der wissenschaftlichen Auswertung der Informationen, die im Projekt „Land schafft Kultur“ der LKB:BY auf sieben Entwicklungs- und Praxislaboren erhoben wurden. Mehr zu diesen Laboren finden Sie hier.

Sie möchten mehr über die anderen Handlungsfelder erfahren? Dann klicken Sie hier und schauen Sie in unsere Publikation:

Weitere Tätigkeiten der LKB:BY

Sie möchten mehr über die LKB:BY und ihre Arbeit erfahren? Dann schauen Sie hier.

Sie möchten Mitglied bei uns werden? Dann schauen Sie hier.

Sie möchten mehr zu kulturellen Bildungskooperationen unter anderem mit Schulen erfahren? Dann schauen Sie sich unser Projekt KooLa hier an.

Das Projekt „Land schafft Kultur“ wird gefördert von: